Abenteuer Alltag
Barrierefreie Leit- und Orientierungssysteme für Sehbehinderte
April 2020 | Christoph Friedli
Eigentlich hatte Markus, 37-jährig und sehbehindert, nur seinen neuen Wohnort auf dem Einwohneramt melden wollen. Er war früh aufgestanden, hatte sich schnell angezogen und noch etwas gefrühstückt.
Die neue Wohnung, die er eine Woche zuvor bezogen hatte, war perfekt. Wie auf ihn zugeschnitten, fand er. Ein lieber Kollege hatte ihm beim Einrichten geholfen. «Nur für den Fall, dass ich Ess- und Schlafzimmer miteinander vertauscht hätte», sagte er lachend. Die Bushaltestelle lag direkt an der nächsten Ecke.
Auf dem Bürgersteig waren → taktile Leitlinien angebracht. Diese zeigten zuverlässig an, wo die vorderste Türe des Busses zum Stehen kam. «So gut sehe ich gerade noch, dass ich die nicht zwingend brauche», sagte Markus. «Den Blindenstock führe ich zur Sicherheit trotzdem immer bei mir.» Mit dem Bus war er die vier Stationen bis «Stadtmitte» gefahren, wie die Haltestelle freundlich ausgerufen wurde. Jetzt links, rechts, links durch die zwei Seitenstrassen, und schon war er da. Genau wie er die Route mit seinem Mobilitätstrainer vorbesprochen hatte. So weit so gut.
Der Eingang war mit einem markanten Vordach überdeckt und dadurch nicht nur zum Schutz vor Regen, sondern auch zur Orientierung nützlich. «Das hatte der Architekt toll geplant», sagte Markus, «genau auf solche Details kommt es an.» Das kleine → Schild neben dem Eingang hatte Markus jedoch nur als weissen Fleck erkannt. «Sehr wahrscheinlich ist das die Bezeichnung des Kreisbüros», riet er, «doppelt so gross wäre perfekt für mich.»
Die Türe hatte Markus trotz fehlendem → Auflaufschutz problemlos passiert.
«Die Markierung auf Augenhöhe ist eigentlich Vorschrift», sagte er über den fehlenden Auflaufschutz, «und notwendig zur schnellen Identifizierung von raumhohen Glasflächen.»
Früher hatte er sich mehrere Male die Nase gestaucht, witzelte er. Heute sei er deshalb meistens sehr vorsichtig. Er wisse, dass oft auch aus ästhetischen Gründen auf diese wichtigen Markierungen verzichtet wird. Im Eingangsbereich stand die nächste Herausforderung an. An der Wand neben dem Lift befand sich die → Stockwerkübersicht, die hauptsächlich in Grossbuchstaben und wieder viel zu klein beschriftet war.
Die fehlenden Unter- und Oberlängen hatten ihm die Entzifferung der einzelnen Wörter verunmöglicht. Vergeblich hatte Markus die Tafel nach der unterstützenden Brailleschrift abgesucht.
Hätte er sich nicht schon mit seinem Mobilitätstrainer über das richtige Stockwerk informiert, hätte er sein Vorhaben an dieser Stelle frühzeitig abbrechen müssen.
«Oder ich hätte einfach so lange gewartet, bis jemand gekommen wäre, den ich hätte fragen können», sagte er.
Fragen mache ihm inzwischen nichts mehr aus und er sei grundsätzlich ein kommunikativer Typ. Mit dem Lift war er in den sechsten Stock gefahren. Im Gegensatz zu den zur → Stockwerkübersicht waren die Tasten im Lift vom Werk her mit → Brailleschrift ausgerüstet.
«Bling!» Markus war auf seinem Stockwerk angekommen. Nun ging es auf fremdes Territorium. Vor ihm lag ein langer, schlecht beleuchteter Gang mit Türen zu allen Seiten. «Alle Räume sind entweder viel zu klein oder gar nicht angeschrieben.» Wo war hier der Schalter, den er suchte?
Ganz am Ende des Ganges auf der rechten Seite, wie sich kurz darauf herausstellte. Er klopfte dreimal an die Scheibe, bis sich die freundliche Bedienung meldete. «Zu meinem Glück hatte sie ihr Parfüm an diesem Tag etwas zu stark aufgetragen und mich direkt vom Lift zum Schalter geleitet.»
«Was für normal Sehende eine mühselige Pflicht ist, nenne ich Abenteuer Alltag», sagt Markus.
In der Schweiz leben ungefähr 325’000 sehbehinderte Personen, 10’000 von ihnen sind blind.
Wir bei Signito stehen gemeinsam dafür ein, unsere Projekte möglichst «inklusive» zu gestalten, um damit allen Menschen, ob nun mit Behinderung oder bei bester Gesundheit, die Navigation durch die Arbeitswelt und das Leben zu vereinfachen.
Bei der Planung von «inklusiver» → Signaletik geht es deshalb nicht um die Integration von «Ausgegrenzten», sondern darum, von vornherein allen die Signaletik möglichst zugänglich zu machen.
Faktoren, die eine gute Verständlichkeit und Lesbarkeit der Signaletik fördern, sind:
- klare, einfache Schriften
- keine ausgefallenen Schriften
- gute Schriftgrösse
- guter Buchstabenabstand
- guter Wortabstand
- guter Zeilenabstand
- kurze Zeilen
- kurze Worte
- einfach verständliche Worte
- kurze Inhalte
- kein ausgefallenes Layout
- kompakter Inhalt
- Pfeile nahe beim Text platziert
- hoher Farbkontrast
- keine reflektierenden Farben
- lesbar auf Augenhöhe
Achten Sie doch bei Ihrem nächsten Gang durch ein öffentliches Gebäude auf diese Details und denken Sie dabei an Markus.
Gerne beraten wir sie bei Ihren künftigen Projekten zum Thema «inklusive Signaletik».